Besitzen oder Nutzen: Ein Schlüssel zu innerer Freiheit

In meinem heutigen Beitrag geht es um das Thema „Innere Einstellung“. Viele Menschen haben Angst vor einer Zukunft mit allzu grosser Veränderung. Uns steht der Wandel des digitalen Zeitalters bevor und er wird zweifellos tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen. Immer wieder beobachte ich dabei, dass viele meiner Gesprächspartner diese Entwicklungen negieren oder abschwächen wollen. Vieles wollen sie verdrängen oder für sich (vorerst) als nicht relevant abtun. Doch woher kommt es, dass Menschen sich so sehr gegen Neues wehren?

So sind wir erzogen worden…

Wer in den 60er, 70er oder 80er Jahren geboren wurde hat es vom Elternhaus, in der Schule und von der Gesellschaft nicht anders gelernt:

Streng dich an! Lerne etwas Gescheites! Mach Karriere in einem soliden Unternehmen mit guter Betriebsrente! Bau dir ein Haus zur Alterssicherung! Dann schaff deine Schäfchen ins Trockene! Baue ein kleines Vermögen auf und wenn du dann in Rente gehst, genieße deinen Wohlstand!

In anderen Worten formuliert: werde erfolgreich Teil des Hamsterrades, riskiere nichts Unnötiges und häufe Vermögen und Besitz an. Dann kannst du entspannt alt werden.

Generation Y

Die „Millenials“, geboren in den 90ern oder später, scheinen dieses Lebensbild nicht zu teilen. Für sie zählen ganz andere Werte und damit ist ein Wandel in der Gesellschaft vorherzusehen. Statt Status rückt der Sinn in den Mittelpunkt. Statt einer im Voraus geplanten Karriere sind sie die Meister der Improvisation. Die Freude am Alltag wollen sie nicht erst im Alter erleben, sondern die Arbeit ihrer individuellen Freiheit unterordnen. In allem Neuen sehen sie zuerst die Chancen und haben deutlich weniger Angst davor.

Besitz macht unfrei

Ein auffälliger Aspekt im Vergleich der Altersgruppen ist die Einstellung zu Besitz und Status. Die Formel ist relativ einfach:

Wer viel besitzt hat viel zu verlieren. Wer viel zu verlieren hat ist unfrei und entwickelt Angst. Angst wiederum verhindert Flexibilität und Risikobereitschaft.

Umgekehrt: Wer nicht viel besitzt, kann auch nicht viel verlieren, ist flexibel, ortsungebunden und kann auch Einkommensschwankungen verkraften. Wer nicht an Besitz gefesselt ist, sucht oft nach neuen Möglichkeiten und ändert öfters seinen Blickwinkel.

Sind Menschen mit weniger Reichtum damit also innovativer? So pauschal lässt sich die Frage sicher nicht beantworten. Doch eine gewisse Abhängigkeit ist zu beobachten. Im Übrigen gilt das auch für den Vergleich zwischen einem Startup und einem etablierten Unternehmen.

Die folgenden Beispiele aus dem Alltag verdeutlichen, wie das Erlebnis der Nutzung auch ohne Besitz und ohne Einschränkungen funktionieren kann.

1. Die Musiksammlung

Für Jugendliche der 60er, 70er und 80er Jahre war sie der große Stolz: die eigene Plattensammlung. Einen entsprechend großen Anteil hatte sie in der Freizeitgestaltung, egal ob allein, mit Freunden, zu Hause oder auf Partys. Bevor das knappe Taschengeld für eine der teuren Vinylscheiben ausgegeben wurde, hörte man sie sich im Plattenladen erst intensiv an und erwog, ob die Musik das viele Geld wert sei. Einmal gekauft, also sobald sie in den Besitz übergegangen ist, wurde sie den ganzen Tag bei jeder Gelegenheit gehört. Auch die weniger guten Titel nahm man dabei mit. Bis dann das Geld für den Kauf einer neuen Scheibe ausreichte, dauerte es wieder die ein oder andere Woche.

In den 90er Jahren entwickelte sich dieses Muster mit CDs weiter. In anderen Worten: das Musikreportoir speiste sich aus dem Besitz der jeweiligen Tonträger-Medien. Die Hürde für Neues hing entsprechend relativ hoch und benötigte einige Zeit um sich in den Sammlungen zu etablieren.

Wie gehen die Millenials mit dem Thema um? Musik wird über das Internet gestreamt, also einfach nur dann genutzt, wenn sie gebraucht wird. Für die Nutzung wird entweder Werbung in Kauf genommen oder eine geringe monatliche Pauschalgebühr bezahlt. Damit gibt’s dann Zugriff auf die gesamte Diskografie der Welt. Gehört wird, was gerade gefällt. Was neu und angesagt ist, findet bereits am Tag der Veröffentlichung Einzug in die Playlisten der Nutzer. Was wieder out ist verschwindet daraus für immer. Die Schnelllebigkeit im Musikgeschäft hat damit eine neue Dimension erreicht.

Nun lässt sich mit Musikliebhabern natürlich darüber diskutieren, ob sich mit dem Wandel von Besitz zu Nutzung die Musikqualität ganzer Alben verschlechtert hat und wie hoch die „Halbwertszeit“ der sogenannten „Stars“ ist. Doch das soll hier nicht zu Debatte stehen.

Was das Beispiel belegt ist, dass die Nutzung eines Musikdienstes im Gegensatz zum Kauf einer entsprechenden Sammlung zur Folge hat, dass Neues sich blitzschnell etabliert. An Altem hingegen wird nicht mehr aus dem alleinigen Grund festgehalten, dass man es nun einmal für viel Geld gekauft hat. Dabei redet man sich ja oft ein, aus dieser Investition dann möglichst viel herauszuholen, wenn man das noch möglichst oft hört, was man eigentlich gar nicht mehr sonderlich mag.

Oft, wenn ich über die Vorteile der Nutzung von Spotify & Co. spreche, höre ich als Antwort, dass das für einen persönlich nicht interessant sei. Man wolle ja schließlich seine Musik „besitzen“…

2. Das Haus

„Schaffe, schaffe, Häusle baue…“ Besser lässt sich das Lebensprinzip der Nachkriegsgeneration nicht beschreiben. Und es war auch das absolut richtige Prinzip. Es war das richtige Prinzip in einer Zeit, wo sich durch das Erschaffen nachhaltiger Werte Wohlstand entwickelt hat. Die Lebensbedingungen in unserem Land belegen, dass unsere Eltern und Großeltern vorausschauend gelebt und gehandelt haben. Dieses Wissen haben sie an uns weitergegeben.

Was sie nicht kannten oder auch nicht erahnen konnten ist der gesellschaftliche Wandel im Informationszeitalter und der Globalisierung. Ein selbstgenutztes Haus zu bauen oder zu kaufen ist für die meisten Menschen die größte Investition, die sie in ihrem Leben je tätigen werden. Zum Abtragen der Hypothek benötigen sie oft bis zu ihrem Rentenalter. Schon vorher folgen bereits wieder Kosten für Reparatur und Instandhaltung.

Abgesehen davon also, dass die eigene, selbstgenutzte Immobilie fast immer die teuerste Art zu wohnen ist, macht sie im wahrsten Sinne des Wortes „immobil“. Der Arbeitsplatz kann nicht mehr flexibel gewählt werden, sondern bindet sich eng an den Wohnort. Das Einkommen muss mindestens neben den Lebenshaltungskosten auch Zins und Tilgung der Hypothek decken. Einkommensschwankungen können damit zu ernsthaften finanziellen Problemen werden. Beide Aspekte schränken die Jobwahl ein und bedingen, dass Menschen sich ängstlich an ihren Arbeitsplatz klammern. In diesem Zustand sind sie wenig offen für Veränderung und sehen darin oft die Bedrohung ihres Status Quo.

Kaum ein Besitztum fesselt Menschen mehr oder schränkt sie in ihrer geistigen Freiheit und Handlungsfexibilität mehr ein als eine selbstgenutze, mit einer Hypothek belastete Immobilie.

Was ist die Alternative? Nutzen. Gegen Miete. Immobilien hingegen kaufen um sie zu Vermieten und dabei ein passives Einkommen aufzubauen.

Ein konträres Lebensmuster der jungen Generation ist das der sogenannten „Digitalen Nomaden“. Sie verdienen ihr Einkommen im Internet durch Blogging, Online-Empfehlungsmarketing, Online-Dienstleistungen, Softwareentwicklung etc. Sie sind völlig ortsunabhängig und bevorzugen einen häufigen Wechsel ihres Lebensmittelpunktes. Dieser ist dann oft in Ländern mit geringen Lebenshaltungskosten, aber gleichzeitig hohem Freizeitwert. Es sind Länder oder Städte, in denen andere ihren Urlaub verbringen. Somit gehen sie ihrer Beschäftigung nach, erleben das Abenteuer, das andere sich für ihre Rente aufheben, und verdienen ausreichend Geld für Ihren Lebensunterhalt.

3. Das Auto

Schaut man auf das Investitionsvolumen, steht das Auto bei den meisten Menschen in Deutschland nach dem Haus an zweiter Stelle. Schnell soll es sein, gut ausgestattet und mit edlen Materialien versehen: Alufelgen, Ledersitze, technische Assistenzsysteme. Das Navi als Sonderausstattung kostet ein Vielfaches von einer Smartphone App mit gleicher Funktion. Und nicht zu vergessen: die Marke. Wie wäre es sonst zu erklären, das baugleiche Fahrzeugtypen aus gleicher Produktion, vom gleichen Konzern aber mit unterschiedlicher Marke signifikant unterschiedliche Preise erzielen?

Ja, für viele Menschen ist das Auto zum Status geworden. Dass sie dabei gleichzeitig auf andere Dinge im Leben verzichten und zudem teure Zinsen für die Finanzierung bezahlen, tritt dabei völlig in den Hintergrund. Sie können es sich eigentlich nicht leisten und verhalten sich damit, nüchtern gesehen, irrational. In anderen Worten: es geht wieder einmal um die innere Einstellung.

Erneut gilt die Frage: Was ist die Alternative? Auch hier haben gerade Menschen der jüngeren Generation Wege gefunden, Ihre Mobilität flexibel und kostengünstig zu gewährleisten. Sie stellen fest, dass das Auto ohnehin den ganzen Tag und die ganze Nacht über nur in der Garage, auf teuren Parkplätzen oder im Stau steht. Warum also nicht auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen einfach das Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr nutzen? Wer in der Stadt wohnt, weiß das Angebot von Bus und Bahn zu schätzen. Und wenn’s mal bequemer sein soll, gibt es ja auch noch das Taxi. Rechnet man Anschaffungskosten, Benzin, Steuer, Versicherung und Reparaturen eines eigenen Autos zusammen, lassen sich mit diesem Betrag sehr, sehr viele Taxifahrten bezahlen.

Gerade beim Thema Mobilität wird die Zukunft einige einschneidende Änderung bringen. Das selbstfahrende Auto wird kommen. Es wird ein Elektroauto sein, nachhaltig und schadstoffarm. Man wird es, wie ein Taxi, per App bestellen und sich zu seinem gewünschten Ziel bringen lassen. Intelligente Software wird im Hintergrund steuern, dass die meisten dieser selbstfahrenden Taxis rund um die Uhr ausgelastet sind. Bezahlt wird entweder nach Nutzung oder per pauschale Flatrate. Es gibt keinen Grund, warum Mobilität anderen Regeln folgen sollte, als der Genuss von Musik, Filmen oder sonstigen Dienstleistungen. Damit werden viel weniger Autos benötigt, viel weniger Parkhäuser und viel weniger großflächige Straßenanlagen.

Auch in diesem Beispiel passt das Prinzip: Nutzen statt Besitzen. Dabei sollten wir nicht verschweigen, dass diese Entwicklung einen nicht unerheblichen, negativen Einfluss auf die in Deutschland so starke Automobilbranche haben könnte. Daher sollte sich jeder Hersteller überlegen, wie die Zukunft aussehen mag und wie er selbst an den neuen Entwicklungen partizipieren kann. Dazu gehört auch sich zu überlegen, ob sich aus dem reinen Herstellen nicht auch eine neue Dienstleistung entwickeln kann.

Fragen zum Nachdenken

Natürlich sind die vorangegangenen Beispiele ein wenig provokativ. Und sicherlich sind sie auch nicht für jeden individuellen Fall allgemeingültig. Doch sie sollen zum Nachdenken anregen. Vielleicht spiegeln sie das Wertesystem künftiger Generationen wieder. Und das würde wirklich zu einer grundlegenden Veränderung führen.

So lade ich dazu ein, sich einmal die folgenden Fragen durch den Kopf gehen zu lassen:

  • Welches meiner Besitztümer könnte ich ohne Einschränkung meiner Lebensqualität durch die Nutzung eines entsprechenden Dienstes oder Angebotes ersetzen?
  • Was macht dieser Gedanke mit meiner inneren Einstellung zu diesem Besitz?
  • Würde ich durch das Nutzen statt Besitzen sogar Geld sparen?
  • Würde mir das infolge größere finanzielle Freiheit und Flexibilität gewähren?
  • Was passiert mit meiner inneren Einstellung? Wenn ich es einmal geschafft habe, emotional von diesem Besitz loszulassen, fühle ich dann eine größere Weite, Flexibilität, Spielraum, Freiheit, Unbekümmertheit? Spüre ich dann, dass eigentlich noch viel mehr möglich sein könnte? Werden meine Gedanken freier?
  • Und zu guter letzt: Verschwinden dabei Angst und Sorge vor Verlust?

Wenn ein Prinzip des neuen digitalen Zeitalters das „Nutzen statt Besitzen“ ist und wir als Menschen dadurch so viel freier, offener und flexibel werden, sollten wir uns dann nicht offenherzig darauf einlassen?

Beste Grüße,
Wolfgang

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